Geduld in der Aquaristik
In der Ruhe liegt die Kraft

"Geduld ist die wichtigste Tugend des Aquarianers" - ist ein geläufiges Sprichwort. Trifft das auch bei modernen Aquarien, die mit viel High-Tech ausgestattet sind zu? Oder ist dies einfach ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Wir tragen dazu einige Gedanken vor.

Das Aquarium als dynamisches Objekt

Final Shot

Ein Aquascape im perfekten Moment (Final Shot).

Gerade im Aquascaping, bei dem im Internet oft traumhafte Aufnahmen von aquatischen Landschaftsgestaltungen zu sehen sind, handelt es sich in der Regel um Momentaufnahmen, wenn ein Aquarium in seiner schönsten Blüte erstrahlt. Was viele Aquarianer vergessen ist jedoch, dass ein Aquarium ein dynamisches Objekt ist. Es wandelt und verändert sich jeden Tag. Es braucht also Zeit, um sich zu entwickeln, bevor es diesen "perfekten" Zustand erreicht. Nicht nur das: auch wird der Zustand nicht von Dauer sein, denn die Entwicklung findet auch danach weiterhin statt. Um ein Aquarium und insbesondere ein Aquascape in einer bestimmten Form zu halten, sind dann gewisse Pflegemaßnahmen nötig.

Aquarium in Betrieb nehmen

Dasselbe Aquascape zu Beginn kurz nach der Einrichtung.

Als Aquarianer sollte man ein stückweit hinnehmen, dass Aquarien nun mal keine Gemälde sind, die ins Wohnzimmer gehängt werden. Sie sind mehr als das, es sind lebendige Objekte, die dem Kreislauf der Natur untergeordnet sind. Schönheit und Verfall gehören miteinander verknüpft und sollten auch gleichberechtigt wahrgenommen werden. Man als sollte als Aquarienbesitzer auch akzeptieren, dass in einem Aquarium sich Dinge stetig verändern und man auf sehr Vieles, aber halt nicht auf Alles einen 100%-igen Einfluss hat. Das Hinnehmen dieser Tatsache hat auch ein wenig mit Geduld zu tun, denn manche Sachen muss man tolerieren, sehr oft sogar an einen bestimmten Zeitraum gebunden.

Der Faktor Zeit

Armbanduhr

Wenn man nun davon ausgeht, dass ein Aquarium ein lebendes Objekt ist und sich im Laufe der Zeit entwickelt, so lässt sich deren Verlauf in bestimmte Phasen einteilen. Ein sehr bedeutender Abschnitt ist zu Beginn, die sogenannte Einfahrphase, auf die wir im nächsten Abschnitt noch genauer eingehen. Dieser Zeitrahmen ist oft geprägt von vielen Instabilitäten und einer gewissen Unruhe, die dem Aquarianer recht viel abverlangen kann. Von daher ist das erste Ziel, ein Aquarium zu erhalten, das "stabil läuft". Wann genau dieser Zustand eintritt, lässt sich nicht genau vorhersagen. Individuell gesehen, kann dies auch sehr unterschiedlich ausfallen. Mit dem Abschließen der Einfahrphase, welche in erster Linie das Ziel hat, einen stabilen Stickstoffkreislauf zu etablieren, kann man aber noch nicht sofort von einem "stabil laufenden" Aquarium sprechen. Oft sind Aquarien dann 1 bis 2 Monate alt, aber dennoch häufig immer noch stark von Algenwuchs und einer noch geringen Pflanzenmasse betroffen. Erst im Alter von etwa 3 bis 6 Monaten stellt sich ein gewisses Gleichgewicht ein, wenn die Wasserpflanzen die Oberhand gewonnen haben und der Algenwuchs stark zurückgedrängt wird. Eine ausgewogene Düngung und regelmäßiger Rückschnitt halten das Aquarium unter Berücksichtigung gewisser Wachstumszyklen in einem ausbalanciertem Zustand. Eine gewisse Stabilität ist vor allem dann erreicht, wenn das Ökosystem Aquarium auch gewisse Schwankungen (etwa jahreszeitlich bedingt) oder durch externe Ereignisse (zum Beispiel Technikwechsel, Änderung des Besatzes) gut "wegstecken" kann. Ein stabil laufendes Aquarium ist im Prinzip das Ziel eines jeden Aquarianers, da es deutlich weniger Arbeit und Sorgen macht und die Pflegemaßnahmen auf ein sehr niedriges Niveau reduziert.

Geduld in der Einfahrphase

Neues Auqarium

Setzt man ein Aquarium neu auf, passieren in relativ kurzer Zeit sehr viele Dinge. Ein Aquarium durchläuft in der Einfahrphase einige wichtige Prozesse, die mitunter optisch nicht gut sichtbar, aber für das Ökosystem des Aquariums essenziell sind. Dazu gehört vor allem die Etablierung des Stickstoffkreislaufes, welcher für den Schadstoffabbau durch sessile Bakterien von Belang ist. Diese Bakterien sind nicht zu sehen. Wahrnehmen lassen sich höchstens die verschiedenen Abbaustufen wie fischgiftiges Ammoniak und Nitrit durch entsprechende Wassertests. Ein "eingefahrenes" Ökosystem im Aquarium ist jedoch von besonderer Wichtigkeit, damit die biologischen Prozesse und der Abbau von Schadstoffen korrekt ablaufen und die Bewohner des Aquariums nicht gefährdet werden. Zusätzlich wird die Startphase von Aquarien auch von diversen Vorkommnissen heimgesucht, die sehr typisch für diese Phase sind und eine gewisse Unruhe hereinbringen. Dazu gehört das Auftreten von Algen (zunächst Kieselalgen, später dann Grünalgen), eventuell auch Wassertrübungen oder das Bilden von Schleim auf frisch eingebrachten Wurzelstücken. All diese Dinge sind vollkommen normal und verschwinden nach einer gewissen Zeit oft von ganz alleine. Die Geduld des Aquarianers wird also in diesem Zeitraum sehr gefordert.

Geduld bei Wasserpflanzen

Wasserpflanzen

Kauft man sich neue Wasserpflanzen, sind diese nicht sofort in dem perfekten Zustand, wie man es sich in seinem Kopf vielleicht vorstellt und es einem die Hochglanz-Fotos in den sozialen Netzwerken auch schmackhaft machen. Sehr häufig werden neue Aquarienpflanzen auch zu Beginn einer Einfahrphase eingebracht, welches dann zunächst einmal auch die typischen Prozesse dieses Zeitraumes mit sich bringt. Darüber hinaus durchlaufen frische Wasserpflanzen eine ganz eigene Entwicklung. Dies hängt in erster Linie von der Verkaufsform ab. So ist Bundware häufig bereits in der Unterwasserform (submers) gewachsen. Topfpflanzen und in-vitro-Produkte sind jedoch in der Regel noch in der Überwasserform (emers). Hier muss sich die Pflanze erst einmal auf den Wuchs unter Wasser umstellen und verändert daher ihre Form. So können die Wuchshöhe, Blattform und auch die Farbe sich daher noch verändern. Diese Umstellung kostet die Pflanze durchaus viel Kraft und artenabhängig kann es hier zu empfindlichen Reaktionen kommen. So können etwa einzelne Pflanzenteile matschig werden oder es kommt zum Abwurf der Blätter. Wichtig ist, dass man die Pflanzen in solchen Fällen nicht aufgibt und schlimmstenfalls einfach wütend entsorgt. Gerade bei Stängelpflanzen können selbst aus nackten kahlen Stängeln noch neue gesunde Triebe entstehen. Bei Rhizompflanzen wie etwa Anubien, Farne oder Bucephalandra kann die betroffene Pflanze sich erholen, wenn der Wurzelstock noch fest und intakt ist. All dies fordert natürlich vor allem Geduld, denn bis dahin können durchaus einige Wochen ins Land gehen. Sorge hier einfach für gute Wuchsbedingungen durch eine ausgewogene Pflanzenernährung und stabile Wasserwerte, dann werden die Aquarienpflanzen es dir danken und zu einem späteren Zeitpunkt in voller Schönheit erstrahlen.

Auch nach einem Nährstoffmangel oder einer Änderung im Dünge-System benötigen die Wasserpflanzen Zeit, bis sie darauf sichtbar reagieren können. Eisenmängel lassen sich recht schnell beseitigen und die Pflanzen werden nach einer Dünger-Optimierung recht schnell wieder kräftiger in den Farben. Andere Nährstoffdefizite wie etwa Kohlenstoff und Makronährstoffe benötigen deutlich mehr Zeit, als Referenz mag hier der Zeitraum von etwa 3 Wochen genannt werden. Auch bleiben einmal geschädigte Blätter oder Pflanzenteile defekt, diese erholen sich oft nicht mehr. Es geht vielmehr darum, den Neuaustrieb der Aquarienpflanzen zu begutachten. Wenn die Pflanzen hier wieder vital austreiben, ist man auf dem richtigen Wege, der aber natürlich etwas Geduld erfordert.

Geduld bei Algen im Aquarium

Algen im Aquarium

Vor allem in der bereits oben beschriebenen Einfahrphase durchläuft ein Aquarium in der Regel mehrere Algenphasen. Dies ist vollkommen normal und erst einmal kein Grund zur Sorge, da sich das gesamte biologische Gleichgewicht im Aquarium erst einmal einpendeln muss. Erfahrungsgemäß tauchen etwa in der 2. Woche Kieselalgen auf und ab der 4. Woche dann erste Grünalgen. Manuelles Entfernen und das Einsetzen von algenfressenden Tieren helfen dabei, die Algen in Schach zu halten. Es dauert hier eine gewisse Zeit und fordert Kraft und Geduld, um diese Phase zu überstehen, bis die Pflanzen unter guten Bedingungen die Algen nach und nach verdrängen. Ein Aquarium ist in diesem Zeitrahmen durchaus pflegeintensiver als später, wenn es einmal eingefahren ist und die Algen kaum noch vorhanden sind.
Aber auch bei einem Aquarium mit längerer Standzeit können sich plötzlich Algen bilden. Diese tauchen dann auf, wenn sich zum Beispiel Milieuänderungen am Aquarium ergeben haben oder es zu einem Nährstoffmangel gekommen ist. Hier gilt es es die Ursache zu finden und zu beheben.

Sollte man der Lage nicht mehr Herr werden, empfiehlt es sich, gegen die Algen Gegenmaßnahmen einzuleiten. In unserem Ratgeber hier findest du eine Menge Informationen darüber, wie man die verschiedenen Algen-Typen identifizieren und dann auch entsprechend bekämpfen kann. Bis solch eine Maßnahme wirkt, ist jedoch mitunter auch etwas Fleißarbeit und natürlich Zeit notwendig. Es lohnt sich aber, dies zu investieren, wird man doch mit etwas Geduld wieder mit einem strahlend schönen Aquarium belohnt.